Rührende Momente
Heute war ein älteres Pärchen, wohl kurz vor dem Rentenalter, in der Info. Er: gepflegt, seriös, höflich und fröhlich, eloquent und interessiert, sehr nett. Sie: im Rollstuhl, völlig teilnahmslos.
Der Herr erzählte mir, dass er und seine Frau, „diese junge Dame“, in W. in der Reha sind. Obwohl er extra ihren Rollstuhl näher an den Counter schob, während er von ihr sprach, sah sie nicht auf, blicke bedrückt und wortlos zur Seite, ins Leere.
Er berichtete, dass die Wahl auf W. nicht nur wegen der guten Seeluft gefallen war, sondern auch, weil sie schon einmal hier gewesen waren und eine glückliche Zeit verbracht hatten. Er hatte sich bereits einen großen Stapel an Informationsmaterialien zusammengesucht bevor ich mit dem vorigen Kunden fertig war und fragte nach noch mehr, was man tun könne. Er erzählte mir, dass die beiden zum Teil eben auch einfach Urlaub machen wollten und er versuche, sich die Nachmittage und Wochenenden frei zu halten, da er auch über die Ferne arbeitete, wie ich in einem Handygespräch von ihm mithören konnte.
Ich gab ihm noch zwei Prospekte mit, empfahl ihm etwas später noch eine Rathausturmfahrt (worauf er mit einem unauffälligen Nicken in Richtung des Rollstuhls reagierte, was ich ebenso unauffällig benickte), aber das Gros an Unternehmungsmöglichkeiten hatte er bereits gefunden; ich konnte ihm nur noch zeigen, wo unsere Telefonnummer steht, falls er später Detailfragen haben sollte.
Nachdem er eine Karte der Region erstöbert hatte, kam er erneut an den Counter und berichtete mir, wo die beiden heute lang gefahren wären („von J., am Südstrand entlang, über eine Brücke – nein, eine flache Brücke – und plötzlich waren wir in einem Wohngebiet“) um sich zeigen zu lassen, wo er tatsächlich angekommen war. Dies war auch das erste mal, dass seine Frau reagierte und ich merkte, dass sie nicht mehr sprechen kann. Er sagte unbeschwert: „Ah, meine Frau korrigiert mich!“ und wandte sich von mir ab und ihr zu.
Etwas später verließ er die Info mit einem netten Gruß.
Dieses Paar hat mich sehr berührt. Mehr als alle keifenden Leute, die nicht einsehen, warum wir die Karten nicht umtauschen können, mehr noch als die alten Leute, die mich bitten, die neue SMS auf ihrem Handy aufzurufen, mehr als jeder Kunde heute geht mir dieses Paar nicht aus dem Sinn. Er hat sich mit so viel Hingabe und Fürsorglichkeit um sie gekümmert, obwohl nicht auf seine Fragen („Möchtest du da hin, Liebling?“) reagierte, während des ganzen Gespräches völlig apathisch wirkte und nicht zu sprechen imstande war.
Ich weiß heute nicht, ob ich dafür die Kraft hätte. Wie sehr ist der Mensch an deiner Seite noch der, den du liebst, wenn er in seiner eigenen Welt gefangen ist und kaum kommunizieren kann? Vermutlich muss man so etwas einfach als Selbstverständlichkeit sehen: Natürlich kümmere ich mich um meinen Partner, wenn ihm etwas zustößt. Das würde ich ja auch von ihm erwarten.
Aber es geht nicht um das Versorgen dieses Menschen. Es geht darum, diese Last mit so viel Wärme und Unbeschwertheit zu tragen. Es geht darum, die Einzelheiten eines Urlaubes zu planen, den dieser Mensch eventuell gar nicht oder nur zum Teil mitkriegt. Es geht um die Hingabe mit der man jemanden, der auf die Außenwelt nicht reagiert, umgibt.
So etwas kann nicht so leicht sein, wie dieser Mann es mir vermittelte. Ich beneide ihn um diese Stärke. Ich frage mich, ob ich sie hätte. Immerhin hat er, geistig gesehen, seinen Partner verloren und gegen die Verpflichtung eingetauscht, sich um jemanden zu kümmern, der auf ihn angewiesen ist. Ich kann ihren Zustand sicherlich nicht ganz korrekt einschätzen, aber so etwas scheint mir ein doppelter Schicksalsschlag zu sein. Kann sie noch Liebe zurückgeben? Das weiß ich nicht. Besteht noch Hoffnung, dass ihr Zustand sich bessert? Vielleicht hilft die Reha, das würde mich freuen. Vielleicht ist sie ja gar nicht jeden Tag so wie ich sie erlebte – vielleicht hatte sie vorhin nur einen schlechten Moment.
Dennoch – seine Liebe zu ihr hat mich echt gerührt. Ich hoffe, die beiden verbringen hier einen schönen Urlaub, und ich wünsche ihnen viel Glück.
Der Herr erzählte mir, dass er und seine Frau, „diese junge Dame“, in W. in der Reha sind. Obwohl er extra ihren Rollstuhl näher an den Counter schob, während er von ihr sprach, sah sie nicht auf, blicke bedrückt und wortlos zur Seite, ins Leere.
Er berichtete, dass die Wahl auf W. nicht nur wegen der guten Seeluft gefallen war, sondern auch, weil sie schon einmal hier gewesen waren und eine glückliche Zeit verbracht hatten. Er hatte sich bereits einen großen Stapel an Informationsmaterialien zusammengesucht bevor ich mit dem vorigen Kunden fertig war und fragte nach noch mehr, was man tun könne. Er erzählte mir, dass die beiden zum Teil eben auch einfach Urlaub machen wollten und er versuche, sich die Nachmittage und Wochenenden frei zu halten, da er auch über die Ferne arbeitete, wie ich in einem Handygespräch von ihm mithören konnte.
Ich gab ihm noch zwei Prospekte mit, empfahl ihm etwas später noch eine Rathausturmfahrt (worauf er mit einem unauffälligen Nicken in Richtung des Rollstuhls reagierte, was ich ebenso unauffällig benickte), aber das Gros an Unternehmungsmöglichkeiten hatte er bereits gefunden; ich konnte ihm nur noch zeigen, wo unsere Telefonnummer steht, falls er später Detailfragen haben sollte.
Nachdem er eine Karte der Region erstöbert hatte, kam er erneut an den Counter und berichtete mir, wo die beiden heute lang gefahren wären („von J., am Südstrand entlang, über eine Brücke – nein, eine flache Brücke – und plötzlich waren wir in einem Wohngebiet“) um sich zeigen zu lassen, wo er tatsächlich angekommen war. Dies war auch das erste mal, dass seine Frau reagierte und ich merkte, dass sie nicht mehr sprechen kann. Er sagte unbeschwert: „Ah, meine Frau korrigiert mich!“ und wandte sich von mir ab und ihr zu.
Etwas später verließ er die Info mit einem netten Gruß.
Dieses Paar hat mich sehr berührt. Mehr als alle keifenden Leute, die nicht einsehen, warum wir die Karten nicht umtauschen können, mehr noch als die alten Leute, die mich bitten, die neue SMS auf ihrem Handy aufzurufen, mehr als jeder Kunde heute geht mir dieses Paar nicht aus dem Sinn. Er hat sich mit so viel Hingabe und Fürsorglichkeit um sie gekümmert, obwohl nicht auf seine Fragen („Möchtest du da hin, Liebling?“) reagierte, während des ganzen Gespräches völlig apathisch wirkte und nicht zu sprechen imstande war.
Ich weiß heute nicht, ob ich dafür die Kraft hätte. Wie sehr ist der Mensch an deiner Seite noch der, den du liebst, wenn er in seiner eigenen Welt gefangen ist und kaum kommunizieren kann? Vermutlich muss man so etwas einfach als Selbstverständlichkeit sehen: Natürlich kümmere ich mich um meinen Partner, wenn ihm etwas zustößt. Das würde ich ja auch von ihm erwarten.
Aber es geht nicht um das Versorgen dieses Menschen. Es geht darum, diese Last mit so viel Wärme und Unbeschwertheit zu tragen. Es geht darum, die Einzelheiten eines Urlaubes zu planen, den dieser Mensch eventuell gar nicht oder nur zum Teil mitkriegt. Es geht um die Hingabe mit der man jemanden, der auf die Außenwelt nicht reagiert, umgibt.
So etwas kann nicht so leicht sein, wie dieser Mann es mir vermittelte. Ich beneide ihn um diese Stärke. Ich frage mich, ob ich sie hätte. Immerhin hat er, geistig gesehen, seinen Partner verloren und gegen die Verpflichtung eingetauscht, sich um jemanden zu kümmern, der auf ihn angewiesen ist. Ich kann ihren Zustand sicherlich nicht ganz korrekt einschätzen, aber so etwas scheint mir ein doppelter Schicksalsschlag zu sein. Kann sie noch Liebe zurückgeben? Das weiß ich nicht. Besteht noch Hoffnung, dass ihr Zustand sich bessert? Vielleicht hilft die Reha, das würde mich freuen. Vielleicht ist sie ja gar nicht jeden Tag so wie ich sie erlebte – vielleicht hatte sie vorhin nur einen schlechten Moment.
Dennoch – seine Liebe zu ihr hat mich echt gerührt. Ich hoffe, die beiden verbringen hier einen schönen Urlaub, und ich wünsche ihnen viel Glück.
WingedSweetness - Montag, 15. Oktober 2007, 19:07 - in Kategorie: Kaffee bei der Arbeit
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